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Beziehung vs. Partnerschaft - Warum wir verliebt ins Gefühl sind und selten in die andere Person


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Beziehungen – sei es die romantische Liebe, die enge Freundschaft oder die familiäre Bindung – sind als menschliche Erfahrung eine der intensivsten und zugleich vielschichtigsten. Sie sind ein Ort, an dem wir uns zeigen, wachsen, heilen, aber auch verletzt werden. Sie sind die Räume, in denen wir uns selbst und den anderen immer wieder neu entdecken. Aber was ist es wirklich, was uns zu einer Person zieht? Warum sind wir so oft in das Gefühl verliebt, das eine Beziehung in uns auslöst, und nicht in die Person selbst, die uns dieses Gefühl vermittelt?



Die Magie des Gefühls: Verliebt ins Erleben


Wenn wir über Liebe und Beziehungen nachdenken, neigen wir dazu, sie als Verbindungen zwischen zwei Menschen zu betrachten. Doch wenn wir genauer hinsehen, müssen wir feststellen, dass unsere Vorstellung von Liebe und Beziehung oft weniger mit der anderen Person zu tun hat, als wir gerne glauben. Im Laufe unseres Lebens entwickeln wir ein tiefes Bedürfnis nach Verbundenheit, Nähe und Zugehörigkeit – und es ist dieses Bedürfnis, das in Beziehungen angesprochen wird. Aber nicht nur das Zusammensein mit einer anderen Person zieht uns an, sondern auch das Gefühl, das sie in uns auslöst.


In vielen Fällen suchen wir nicht nur die physische Nähe eines anderen Menschen, sondern auch die emotionalen Zustände, die durch diese Nähe erzeugt werden. Wärme, Sicherheit, Geborgenheit, Anerkennung und Begehren – das sind die Gefühle, die wir oft von der Beziehung erhoffen und die uns magnetisch anziehen.


Es sind diese Gefühle, die durch den Kontakt mit einem anderen Menschen in uns aufsteigen, die uns in der frühen Phase einer Beziehung fast wie betäubt anziehen. Der Herzschlag, der schneller wird, das Kribbeln im Bauch, das Gefühl, von jemandem wirklich gesehen zu werden – all das erzeugt in uns eine Art elektrisches Gefühl, das uns glauben lässt, wir hätten das gefunden, wonach wir uns immer gesehnt haben.


In den ersten Phasen einer Beziehung überflutet uns dieses Gefühl, der andere Mensch gibt uns eine Art Lebenserfahrung, die wir als besonders wertvoll und bedeutungsvoll empfinden. Doch in diesem „Verliebtsein“ geht es primär um uns selbst. Wir erleben, was es bedeutet, sich lebendig zu fühlen, was es bedeutet, von jemandem auf eine Weise geschätzt zu werden, die wir uns lange gewünscht haben. In dieser Phase ist es einfach, den anderen als den Erfüllungsgehilfen unserer emotionalen Bedürfnisse zu sehen und zu glauben, dass diese Person das fehlende Puzzleteil in unserem Leben ist.


Doch sind wir wirklich in den anderen verliebt? Oder verlieben wir uns in das, was wir durch ihn erleben? In das Gefühl, das er oder sie in uns auslöst?



Das Spiel mit der Projektion – Warum wir uns selbst in der Liebe begegnen


Jeder Mensch, der in unser Leben tritt, ist ein Spiegel. Er zeigt uns unsere Sehnsüchte, unsere Ängste, unsere Unsicherheiten, aber auch unsere tiefsten Wunden. Besonders in der Verliebtheit sehen wir oft nicht den anderen, sondern unsere Projektionen auf ihn. Wir sehen nicht die ganze Person, sondern das, was wir uns von ihr erhoffen, was wir uns in ihr erträumen.


Wir verlieben uns in das Gefühl, das er oder sie in uns auslöst, in die Vorstellung, dass endlich jemand da ist, der uns ergänzt, der uns heilt, der uns vervollständigt. Der andere wird zur Muse, zum Retter, zur Quelle der Erfüllung.


Er ist der Retter, der uns endlich das gibt, wonach wir uns gesehnt haben. Sie ist die Muse, die uns inspiriert und uns das Gefühl gibt, endlich richtig zu sein. Er ist die Heimat, nach der wir uns lange gesehnt haben. Sie ist die Antwort auf die Leere, die tief in uns verborgen liegt.


Diese Projektionen sind die Grundlage für das Gefühl von „Verliebtsein“. Wir fühlen uns gesehen, gewollt, aufgehoben. Die Welt scheint heller, das Leben leichter, die Sorgen kleiner. Wir fühlen uns endlich vollständig, endlich gesehen und anerkannt. Plötzlich sind wir nicht mehr allein mit unseren Ängsten, unseren Wünschen, unseren Hoffnungen. Denn da ist ein Mensch, der all das in uns zum Leben erweckt.


Doch hier liegt der entscheidende Punkt: Sind wir wirklich in die andere Person verliebt, oder sind wir in das Gefühl verliebt, das sie in uns erzeugt? Verlieben wir uns in die Idee von dem anderen, der uns diese tiefen, emotionalen Bedürfnisse erfüllt? Oder verlieben wir uns in den anderen in seiner ganzen Komplexität, mit all seinen Eigenheiten, Unsicherheiten und Fehlern?



Die Schwierigkeit, den anderen wirklich zu sehen


Das Dilemma in vielen Beziehungen ist, dass wir oft glauben, in einer tiefen, echten Verbindung zu einem anderen Menschen zu stehen, obwohl wir in Wahrheit nur eine Verbindung zu unseren eigenen Gefühlen haben. Unsere Wahrnehmung des anderen wird nicht durch seine wahre Natur geprägt, sondern durch unsere eigenen Wünsche und Ängste, die wie eine Brille auf unserer Sichtweise liegen.


Es ist ein weit verbreitetes Phänomen, dass wir in den ersten Phasen einer Beziehung die Eigenheiten des anderen idealisieren und an ihre oder seine vermeintliche Perfektion glauben. Wir sehen den anderen durch die Linse unserer eigenen emotionalen Bedürfnisse. In dieser Phase sehen wir die Person nicht wirklich, sondern das Bild, das wir uns von ihr gemacht haben.


Doch diese Projektionen sind der Nährboden für die späteren Enttäuschungen. Wenn das „verliebte Gefühl“ nachlässt und die anfängliche Begeisterung der Realität weicht, wird die wahre Natur der Beziehung sichtbar. Es wird deutlich, ob die Verbindung wirklich auf einem ehrlichen, tiefen Verständnis des anderen basiert oder ob sie lediglich auf der Projektion unserer eigenen Bedürfnisse auf die andere Person fußte.


Die Frage, die sich hier stellt, lautet:


Warum sind wir eigentlich so verliebt in das Gefühl?

Warum sind wir verliebt in das Gefühl?


Ein tieferer Blick auf diese Dynamik offenbart einen grundlegenden Aspekt menschlicher Psychologie: Wir sind oft verliebt in das Gefühl, weil es uns mit uns selbst in Kontakt bringt – und nicht mit dem anderen. Liebe und Beziehung bieten uns eine einzigartige Gelegenheit, uns selbst zu erfahren, uns als wertvoll und geliebt zu erleben.


Diese Erfahrung ist unglaublich kraftvoll, weil sie uns von unserem inneren Schmerz, unserer Einsamkeit und unseren Ängsten ablenken kann. Sie bietet uns einen Moment der Erlösung von den dunklen, oft schmerzhaften Ecken unserer eigenen Gedanken und Gefühle. In diesen Momenten glauben wir, dass wir das fehlende Puzzleteil in unserem Leben gefunden haben – jemanden, der uns heilt, uns erfüllt, uns das Gefühl gibt, vollständig zu sein.


Wir sind süchtig nach dieser Erfahrung von Sicherheit und Glück. Wir möchten die Unsicherheit des Lebens für einen Moment hinter uns lassen und in das Gefühl von Geborgenheit und Verbundenheit eintauchen. Und so binden wir unser Wohlbefinden und unser Glück oft an den anderen, an das Gefühl, das er oder sie uns vermittelt. Diese Vorstellung, dass der andere Mensch in der Lage ist, unser inneres Wohlgefühl zu schaffen, ist tief in vielen von uns verwurzelt.



Die Reise zur wahren Verbindung: Von der Projektion zur Präsenz


Doch wahre Nähe entsteht erst dann, wenn wir in der Lage sind, den anderen in seiner ganzen Komplexität wahrzunehmen und zu akzeptieren. Wenn wir die Brille unserer eigenen Projektionen ablegen und den anderen als das sehen, was er oder sie wirklich ist.


Die Wahrheit ist oft schmerzhaft, weil sie uns dazu zwingt, unsere eigenen Erwartungen und Projektionen loszulassen. Aber es ist nur in dieser authentischen Begegnung, dass tiefere, wahre Verbindungen entstehen können. Denn wahre Liebe bedeutet nicht, den anderen als den Erfüllungsgehilfen unserer Wünsche zu sehen, sondern ihn oder sie als eigenständigen Menschen zu akzeptieren, mit all den Widersprüchen, Unsicherheiten und Eigenheiten, die dazugehören.


Es ist ein mutiger Schritt, der oft mit Angst verbunden ist. Doch gerade in dieser Konfrontation mit der Realität liegt die wahre Schönheit von Beziehungen. Sie bieten uns die Gelegenheit, zu wachsen, uns zu verändern und uns selbst neu zu entdecken. Sie fordern uns heraus, nicht nur unsere eigenen Wünsche zu erfüllen, sondern auch den anderen wahrhaftig zu sehen und zu verstehen.



Schlussgedanken: Die Einladung zur Transformation


Wenn wir die Frage stellen, warum wir so oft verliebt in das Gefühl sind, müssen wir uns bewusst werden, dass Beziehungen mehr sind als der Moment des „Verliebtseins“ – sie sind eine Einladung zur Transformation. Sie bieten uns die Möglichkeit, uns selbst zu entdecken, unsere tiefsten Wünsche und Ängste zu erkennen und die wahre Bedeutung von Liebe zu erfahren.


Indem wir uns von unseren Projektionen befreien und den anderen in seiner ganzen Tiefe sehen, betreten wir die wahre Tiefe der Beziehung. Und in dieser Tiefe lernen wir, was es wirklich bedeutet, zu lieben – nicht nur den anderen, sondern auch uns selbst. Beziehungen sind keine Märchen, sie sind eine Herausforderung, aber genau in dieser Herausforderung liegt die wahre Schönheit. Sie geben uns die Chance, zu wachsen und die wahre Bedeutung von Liebe zu erfahren.

 
 
 

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