top of page

Ordnung im Chaos finden


ree

Chaos. Ein Wort, das wir benutzen, wenn unser Leben aus den Fugen gerät. Wenn alles, was eben noch sicher schien, plötzlich ins Wanken gerät. Wenn nichts mehr Sinn macht und du mitten im Sturm stehst, ohne zu wissen, in welche Richtung du gehen sollst.

Es ist dieses Gefühl, wenn du nach Halt suchst, aber nichts Greifbares findest. Wenn du auf ver-traute Wege hoffst, aber keiner mehr sichtbar ist. Wenn alles, worauf du gebaut hast, einstürzt, und du mit den Trümmern deiner eigenen Welt dastehst. Dieses Gefühl kennt jeder – der Moment, in dem der Boden unter den Füßen nachgibt und du fällst, ohne zu wissen, wo du landen wirst.


Vielleicht bist auch du gerade an diesem Punkt. Vielleicht hast du jemanden verloren, von dem du dachtest, du könntest ohne ihn oder sie nicht leben. Vielleicht ist eine Tür zugegangen, die du niemals schließen wolltest. Vielleicht steht dein Leben still, während sich um dich herum alles weiterzudrehen scheint. Es fühlt sich an, als würdest du auseinanderfallen, als würde nichts mehr zusammenpassen. Und doch – mitten in diesem Chaos, mitten im Schmerz und der Unsicherheit – liegt auch etwas anderes verborgen. Eine Möglichkeit, die du jetzt vielleicht noch nicht sehen kannst. Denn Chaos bedeutet nicht nur Zerstörung. Es ist auch der Anfang von etwas Neuem.


Der erste Schritt, um eine Bedeutung im Chaos zu finden, ist nicht, es zu bezwingen oder in eine Form zu pressen, die dir vertraut erscheint. Es ist, aufzuhören, dagegen anzukämpfen. Hör auf, es zu ordnen, es zu bändigen, es in eine Richtung zu drängen, die sich sicher und vorhersehbar anfühlt. Hör auf, das Alte wiederherstellen zu wollen, nur weil es dir einmal Sicherheit gab.


Leben bedeutet nicht, dass immer alles nach Plan läuft. Leben bedeutet Veränderung, Unvorher-sehbarkeit, Wachstum – und ja, auch Chaos. Chaos war schon immer da, tief verwoben mit dem Dasein selbst, und es wird immer bleiben. Es ist der Sturm, der über dein sorgfältig errichtetes Kartenhaus fegt, der Moment, in dem dir der Boden unter den Füßen weggezogen wird, die unerwartete Wendung, die dich aus der Bahn wirft. Und doch ist es nicht dein Feind.

Denn egal, wie sehr du dein Leben planst, egal, wie hart du arbeitest, dich absicherst, Risiken minimierst – es wird immer Momente geben, die dich unvorbereitet treffen. Es wird immer Überraschungen geben, Umwege, Verluste, Abschiede, Neuanfänge, die du dir nicht ausgesucht hast. Und das ist kein Fehler. Das bedeutet es Mensch zu sein.


Wenn du beginnst, dies wirklich zu erkennen, geschieht etwas Befreiendes: Du hörst auf, deine Energie gegen das Unkontrollierbare zu verschwenden. Du erkennst, dass Kontrolle eine Illusion ist – ein Griff ins Leere, ein Versuch, das Leben zu bändigen, das sich nicht bändigen lässt. Und in dem Moment, in dem du das Chaos nicht mehr als Feind siehst, beginnt sich dein Blick zu ver-ändern.




Im Sinnlosen einen Sinn finden


ree

Trotzdem bleibt die Frage: Welchen Sinn hat das Ganze?


"Warum geschieht es ausgerechnet mir, warum jetzt, warum so unerwartet? "


"Was kann in dem, was sich sinnlos anfühlt, Sinnvolles sein?"


"Was soll daran gut sein, sich so zu fühlen, wie du dich fühlst?"


Es sind diese Fragen, die in dunklen Zeiten auftauchen. Fragen, die einen mit voller Wucht treffen, weil sie den Kern unserer Unsicherheit berühren. Fragen die ständig in unserem Kopf kreisen - Fragen auf die wir keinen Antworten zu finden scheinen, die jedoch immer wiede Furchen unserer Seelenlandschaft aufreißen.


Wenn wir keinen Sinn in unserem Schmerz sehen, wenn ichts davon irgendeinen Sinn machen sollte, fühlt sich der Sturm durch den du gehst, noch schwerer an. Er erscheint dann wie eine Last ohne Zweck, eine Prüfung ohne Belohnung. Doch was, wenn der Sinn nicht darin liegt, eine rationale Erklärung auf diese Fragen zu finden, sondern in der Art und Weise, wie wir damit umgehen?


Was, wenn es nicht darum geht, gegen den Schmerz anzukämpfen oder ihn zu verdrängen? Was, wenn es vielmehr darum geht, ihn anzusehen – wirklich hinzuschauen, ohne Flucht, ohne Ablenkung? Ihn nicht als Feind zu betrachten, sondern als einen Teil von dir, der endlich gesehen werden will.



"Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern zu gebären." Friedrich Nietzsche


Was, wenn diese Krise nicht nur eine Prüfung ist, sondern eine Einladung? Eine Einladung, nach innen zu gehen, dorthin, wo du vielleicht lange nicht mehr gewesen bist. In diesen Raum in dir, der all die unausgesprochenen Gefühle, die ungeweinten Tränen, die alten Wunden birgt. Den Raum, den du vielleicht zugeschlossen hast, weil es einfacher schien, nach vorne zu rennen, anstatt zurückzublicken. Doch jetzt, genau jetzt, bleibt dir nichts anderes übrig, als innezuhalten. Was wäre, wenn du genau hier – inmitten des Chaos – die Antworten findest, nach denen du im Außen vergeblich suchst?


Vielleicht zeigt dir diese Krise, woran du festhältst, obwohl es dich längst nicht mehr trägt. Viel-leicht deckt sie all die Dinge auf, die du dir bisher nicht eingestehen wolltest. Vielleicht macht sie dir bewusst, dass du stärker bist, als du dachtest – nicht trotz deiner Verletzlichkeit, sondern gerade wegen ihr. Vielleicht zwingt sie dich, Fragen zu stellen, die du sonst immer beiseite-geschoben hast.


Fragen wie:


"Wer bin ich ohne das, was ich verloren habe?"

"Was bleibt übrig, wenn alles wegbricht, woran ich mich festgehalten habe?"

"Was ist wirklich wichtig – und was war vielleicht nur eine Illusion von Sicherheit?"


Der Sinn liegt oft nicht in der Situation selbst, sondern in der Veränderung, die sie in uns bewirken kann. Manchmal müssen wir etwas loslassen, um Raum für etwas Neues zu schaffen. Manchmal ist genau das, was wir am meisten gefürchtet haben, der Schritt, den wir gehen müssen.

Und vielleicht geht es gar nicht darum, sofort eine Lösung zu finden. Vielleicht geht es vielmehr darum, für einen Moment still zu werden. Den Widerstand loszulassen. Dich nicht länger gegen das Unvermeidliche zu stemmen, sondern es anzunehmen – nicht als Kapitulation, sondern als tiefes Ja zu dem, was ist.


Denn die größte Erkenntnis liegt nicht im Festhalten, sondern in der Akzeptanz. Nicht darin, dass du leidest, sondern darin, wie du mit dem Schmerz umgehst. Ob du daran zerbrichst oder ob du ihn als Lehrer betrachtest. Ob du ihn gegen dich richtest oder ob du ihn als Wegweiser nutzt.

Es gibt keinen richtigen oder falschen Weg. Es gibt nur deinen Weg. Und vielleicht beginnt dieser Weg genau hier – in dem Moment, in dem du dich nicht mehr gegen den Sturm wehrst, sondern beginnst, ihm zuzuhören.


Im Auge des Sturms.

 
 
 

Kommentare


bottom of page
Datenschutzerklärung Cookie-Richtlinie